USA

If you're going to San Francisco

Auslöser unserer Reise ist die Hochzeit von Marina und Matt in der Region von San Fransisco. Kerstins Job als Trauzeugin ist es zu verdanken, dass wir wegen der Vorbereitungen eine Woche in San Francisco leben. So tauchen wir viel tiefer in die Stadt ein, als wenn es nur eine Station der Rundreise gewesen wäre.

 

Also ’rein ins Getümmel. Zuerst quälen wir uns am Flughafen mit sechs Gepäckstücken in die U-Bahn. Es scheint, als bräuchten wir ein Drittel des Waggons für uns. An der Market Street, mitten im Zentrum, schleppen wir alles aus der U-Bahn die Treppen hoch und erblicken das Licht der Stadt. Wow. Hier ist Leben.

 

In unserem Hotel, dem Touchstone, schließen wir zuerst Bekanntschaft mit dem amerikanischen Standard. Das Interieur mit Möbeln und Armaturen atmet den Geist der 60er Jahre. Die Scheiben dünn wie bei einem Gewächshaus. Das Zimmer hat einen Flat-Screen-TV. Halterung und Kabel des alten Geräts hängen daneben noch an der Wand. Alles ist intakt und sauber, aber Toilette und Waschbecken hat James Dean vielleicht auch schon benutzt.

 

Vieles ist altmodisch in Amerika. Die Strommasten in der Stadt sind aus Holz, die Leitungen hängen genauso frei in den Straßen wie im Swaziland. Ein Land im Renovierungsstau. Diese Leitungen führen auch in den Financial District, wo Banken und Versicherungen in gläsernen Wolkenkratzern über der Stadt thronen. Es sind diese Gegensätze, die uns in den folgenden vier Wochen immer wieder begegnen, immer wieder faszinieren.

 

Das alles ändert nichts daran, dass wir San Francisco als sagenhafte Stadt mit tausend Gesichtern erleben. Am ersten Tag sind wir fertig von zusammen 17 Stunden Anreise und Zeitverschiebung. Eigentlich wollen wir nur kurz in die Stadt, doch daraus werden die ersten zehn Kilometer Fußmarsch. Am zweiten Tag geht’s entlang der San Francisco Bay zur Golden Gate Bridge - natürlich. Schade nur, dass der Nebel an diesem Tag so dicht ist, dass wir vor der Brücke stehen, aber zuerst kaum etwas von ihr sehen. Wir marschieren ’rüber – und zurück.

 

Den besonderen Flair zieht die Stadt auch aus dem steilen Auf und Ab der Straßen. An einigen Stelen scheint es, als kippten quer geparkte Autos gleich um, so schräg ist es. Auch sonst nehmen wir alles mit: Fahren mit dem Cable Car und den historischen Straßenbahnen, treffen die Seelöwen im Pier 39 oder schlendern durch die Touri-Falle Fisherman’s Wharf.

 

Mehrere Freunde haben uns gesagt. „Ihr müsst unbedingt zur Cheesecake Factory gehen“. Wir haben einen Laden auf unserer Straße. An einem Nachmittag ist es schließlich soweit: Nachmittags gibt es einen Käsekuchen. Der Laden füllt gesamte obere Etage eines siebenstöckigen Nobel-Kaufhauses aus. Entsprechend sind die Käsekuchen-Preise. Bei 6 Dollar für ein Stückchen geht’s los. Trotzdem ist das Gedränge enorm. Auf einen Platz auf der Außenterrasse müssten wir anderthalb Stunden warten. Also gibt es zwei Cheesecakes to go, einmal mit Apple Pie und Caramel und einmal White Chocolate mit Preiselbeeren. Auf dem Union Square mümmeln wie die Teilchen mit einer Partygabel. Echt lecker – und macht satt für die nächsten drei Tage.

 

Der Appetit kann einem auch vergehen. Während wir mit Kuchen gegenüber dem Nobel-Kaufhaus sitzen, werden die Mülleimer um uns herum mindestens viermal nach Verwertbarem durchsucht. Und im Hintergrund blitzen die Wolkenkratzer. Auch diese Eindrücke bleiben haften. Sind wir hier im reichsten Land der Welt? Oder im ärmsten?

 

Das hängt davon ab, wo wir sind. Bei unseren Streifzügen durch die Stadt entschließen wir uns an Tag drei, eine andere Richtung zu nehmen. Nur zwei Blocks weiter begegnet uns das nackte Elend. Die Häuser heruntergekommen, eigentlich unbewohnbar. Auf dem Fußweg liegen besinnungslos Betrunkene. Uns kommen Menschen entgegen, die sich kaum auf den Beinen halten können. In den Hauseingängen setzen ich die Fixer den ersten Schuss des Tages. Und im Hintergrund blitzen die Wolkenkratzer.

 

Auch die unterschiedlichen Viertel erschließen wir uns: Der Castro-District der Schwulen und Lesben glänzt durch eine breite Auswahl an Dildo-Läden. Die alternative Haight-Street hat dutzende Second-hand und Hippie-Shops, ein Paradies für Kerstin. Im Latin Quarter kaufe ich einen coolen Cowboy Hut, den ich zwei Tag später wieder verliert.

 

Ein Stadtteil beeindruckt uns am meisten. In San Francisco leben knapp 100.000 Chinesen, fast alle in Chinatown. Wer dieses Viertel betritt, erlebt eine andere Welt in einer anderen Welt. Im Straßenbild erinnert hier nichts mehr an USA. Lampions über den Straßen, chinesische Plakate an den Wänden und überdimensionale asiatische Schriftzeichen an den Häusern. Alles bunt. Die Läden voll mit unglaublichem Kitsch. Überall Gewusel aus Chinesen und Touristen.  

 

Wir wollen abends in Chinatown essen. Für Touristen gibt es Restaurants an jeder Ecke. Uns aber packt die Abenteuerlust. Wir wollen wirklich chinesisch essen. Dazu stehlen wir uns in eine Seitengasse abseits des Trubels. Hier, eine Kellertreppe. Wir kommen in einen Raum, in dem nur Chinesen sitzen. Überall Fliesen, keine Fenster mehr. Ein China Restaurant für Chinesen. Die Speisekarte ist auch chinesisch. Für Verirrte wie uns gibt es zum Glück Bilder und eine englische Kurzfassung in Miniaturschrift. Wir bestellen. Als wir doch etwas unsicher werden, kommt das Essen. Es ist bombastisch. Unser Tisch reicht gerade um alle Platten aufzunehmen. Alles schmeckt klasse. Am Ende bezahlen wir für Essen und Getränke umgerechnet 17 Euro.

 

Dagegen hadern wir mit dem Frühstück. Es gibt grundsätzlich Ei mit Schinkenspeck und/oder Würsten, dazu Toast. Die Aussicht, dass wir uns die nächsten vier Wochen morgens so fett ernähren, schmeckt uns nicht. Nach drei Tagen sehnen wir uns nach einer Scheibe Brot oder einem Bagel. Am vierten Tag suchen wir knapp 45 Minuten, bis wir eine Art Bäcker finden, der uns einen Bagel belegt.

 

Einen Morgen liebäugeln wir mit einem Frühstücks-Burrito, doch die Stühle des anvisierten Cafès stehen noch wenig einladend auf den Tischen. So bleibt es bei den abendlichen mexikanischen Mahlzeiten - die aber dafür in uns regelmäßige Konsumenten gefunden haben. Wir stellen fest - USA ist guter Mexican-Zubereiter und probieren den einen oder anderen gefüllten Teigfladen.

 

Als wir nach fünf Tagen wegen der Hochzeit aus der City in ein Hotel nahe des Airports umziehen, sitzen wir still im Bus und lassen die Straßenschluchten noch einmal an uns vorbeiziehen. Es waren intensive Tage, doch weitere intensive folgen.

 

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