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Wo die Engel landen

Vom Bryce Canyon sind es nur 200 Kilometer zum nächsten Ziel, dem Zion Nationalpark. Hier treffen wir wieder auf einen Anblick, der uns den Atem verschlägt. Der Zion Nationalpark ist ein großes Tal, das umgeben ist von zwei Kilometer hohen Steilwänden. Alles um uns herum wirkt mächtig und erdrückend. Wir beziehen unseren Platz und starren auf einen zweitausender, der direkt vor unserer Nase steht.

 

Es ist heiß im Zion. Wir beschließen, am ersten Tag in die Narrows zu wandern. Die Narrows: So wie ein Fluss genannt, der mehrere Kilometer durch eine riesige Felsspalte mäandert und schließlich das Zion-Tal erreicht. Wir wandern gegen die Strömung. Die Strecke hat es in sich. Wir wandern am Ufer entlang, das nur aus Steinen besteht. Jeder Schritt muss überlegt sein. Immer wieder kreuzen wir den Fluss, weil es nur auf der anderen Uferseite weitergeht. Die Strömung ist stark, die Steine im Fluss sind glitschig. Bloß keinen unbedachten Schritt tun. Schon nach 200 Metern wird der Fluss so tief, dass ich den Rucksack über dem Kopf ragen muss, da uns das Wasser bis zur Brust reicht.

 

Doch die Strecke macht großen Spaß. Hinter jeder Flussbiegung verändert sich die Struktur des Felsgesteins. Je tiefer wir in das Berginnere vordringen, desto enger rücken die Felswände zusammen. Ein tolles Erlebnis.

 

Zurück auf unserem Stellplatz haben wir nur einen Wunsch: duschen. Doch auch hier gibt es keine Duschen. Wir müssten den Park verlassen und in den nächsten Ort fahren. Wir setzen uns stattdessen in den Fluss. Bei den Toiletten gibt es zum Glück noch ein größeres Waschbecken, in dem man das Geschirr abspülen kann. Dort waschen wir uns die Haare.

 

Abends macht uns die Hitze zu schaffen. Offenes Lagerfeuer und grillen ist wegen der hohen Temperaturen verboten. Auf unserem Gaskocher bereiten wir Chili-Taschen zu. Anschließend sitzen wir in der tiefschwarzen Nacht und wissen vor lauter Hitze nicht, wo wir hin sollen. Wir müssen schlafen. Im Auto ist es noch wärmer, es geht kein Luftzug. Die Nacht wird unerträglich. Wir tun kein Auge zu.

 

Am zweiten Tag geht es hoch hinaus auf einen Berg. Wieder einmal wählen wir uns die schwierigste Strecke des Parks aus: Angels Landing. Es heißt, dass auf der Spitze des Bergs nur die Engel landen könnten. Mal sehen. Und tatsächlich sollte der Berg es in sich haben. Der Aufstieg beginnt steil und kräftezehrend. Es handelt sich aber um gut angelegte Kletterwege. Als wir fast an der Bergspitze angekommen sind, ändert sich das Bild dramatisch. Wollen wir die Spitze erklimmen, müssen wir das letzte Stück über den nahezu nackten Fels buchstäblich nach oben klettern – ohne Netz und doppelten Boden.

 

Wir gehen das Wagnis ein. Dabei sehen wir uns einer Art Mutprobe gegenüber. Denn links und rechts endet der Fels an der Steilwand, ohne dass es noch eine Sicherung gäbe. Der Weg führt an einigen Stellen über einen schmalen Grat. Rechts eine Felswand, links geht’s zwei Kilometer weit steil nach unten. Der Blick nach unten weckt ein mulmiges Gefühl im Magen. Wer hier nicht schwindelfrei ist, hat keine Chance. Wer einen falschen Schritt macht, auch nicht.  

 

Wir erreichen schließlich die Spitze und auch der Abstieg gelingt sicher. Stolz lassen wir uns vor der Warntafel fotografieren. Auf der Tafel steht, dass im Schnitt ein Kletterer pro Jahr abstürzt und auf Angels Landing sein Leben verliert.

 

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